Prof. Dr. J. Dordel

Veränderungen der Lebenswelt haben die Bedeutung der Bewegungserziehung, des Sportunterrichts und der bewegten Freizeitaktivität gesteigert.

Sitzende Tätigkeiten und die fortschreitende Technisierung des Alltags in Elternhaus und Schule, im vorberuflichen und beruflichen Leben fordern vermehrt den täglichen Bewegungsausgleich. Bewegungserziehung und Bewegungsförderung als geleiteter Unterricht sowie als Sport und Spiel in freier Gestaltung sind bedeutsam für die körperliche und motorische, auch für die psychische, soziale und geistige Entwicklung des jungen Menschen. Tägliche Bewegungsangebote sind daher als bildende, fördernde und ausgleichende Maßnahmen in die schulischen und vorberuflichen Bildungspläne von Kindern, Heranwachsenden und jungen Erwachsenen verbindlich aufzunehmen.

Gründe für die aktuelle Dringlichkeit

  • Begegnungen und unmittelbare zwischenmenschliche Kontakte werden vermehrt auf die Internetkommunikation verlagert.
  • Die immer weiter fortschreitende Verstädterung, d.h. räumliche Einengung und Steigerung des Straßenverkehrs, die Zunahme des Medienangebots und -konsums verringern den Kontakt mit der natürlichen Umwelt.
  • Die Aufhebung der speziellen Förderung von Menschen mit Problemen zugunsten integrativer Bildungsangebote in Gemeinschaftseinrichtungen (Inklusion) birgt die Tendenz zur Unterforderung der Leistungsfähigeren und der Überforderung der Schwächeren. Die Vorteile des integrativen Bildungsangebots bergen den Nachteil der negativen Nivellierung.

 Maßnahmen und Forderungen

  • Der tägliche Sportunterricht in Form von 2 Stunden gemeinschaftlicher Bewegungserziehung sowie leistungs- und neigungsdifferenziertem Sportunterricht im Umfang von 3 Stunden wöchentlich ist für die Individualentwicklung und das gesellschaftliche Miteinander unerlässlich. Eine Erweiterung der Bewegungsangebote um 1 bis 2 Stunden ist mit auf maximal 10 Personen verringerter Teilnehmerzahl für Kinder und Jugendliche mit körperlich – motorischen und psychisch – sozialen Besonderheiten vorzusehen.
  • Jede Unterrichtsmaßnahme und jedes Bewegungsangebot muss von sportpädagogisch und sportartspezifisch qualifizierten Lehrkräften geleitet werden – und nicht von schulfremden Übungsleitern mit ungeprüfter Qualifikation.
  • Der Sportunterricht und die Bewegungsangebote sind im Sinne einer ganzheitlichen Sport- und Spielerziehung zu gestalten und dürfen keineswegs auf eine Spielsportart verengt werden.
  • Zielsetzungen sind die Entwicklung der motorischen Vielseitigkeit und die individuelle Steigerung der Leistungsfähigkeit. Ziel ist auch die Entwicklung der Kontaktfähigkeit und des partnerschaftlichen Verhaltens. Und es muss jedem die Freude an der Bewegung im Kontakt mit dem Partner und der Gruppe vermittelt werden.
  • Langfristiges Ziel eines erweiterten, intensivierten und vor allem verbesserten Sportunterrichts ist „die Lust“ auf mehr Sport in der Freizeit und die regelmäßige Bewegungsaktivität im Verlaufe des gesamten Lebens.

„Prof. Dr. rer. nat. Jan Dordel ist Diplomsportlehrer mit den Schwerpunkten Bewegungslehre sowie Sport in Prävention und Rehabilitation. Der promovierte Naturwissenschaftler – Biologie mit dem Nebenfach Medizin / Universität Köln – lehrte von 1965 bis 1976 an der Deutschen Sporthochschule Köln und bis zu seiner Emeritierung 2004 an der Leibnitz – Universität Hannover. Seine Lehrtätigkeit konzentrierte sich  auf die Bereiche Gymnastik, Sportförderunterricht und Rehabilitationssport. Die wissenschaftlichen Arbeitsschwerpunkte lagen auf der Muskeldehnung als Maßnahme der Leistungssteigerung und auf dem motorischen Test als Mittel der Persönlichkeitsbeurteilung und Grundlage der individuellen motorischen Entwicklung. Auch seine aktuellen Tätigkeiten im Bereich der Physiotherapie und Ergotherapie sowie in der Zusammenarbeit mit den Rehabilitationseinrichtungen des Annastifts Hannover sind auf die Ganzheitlichkeit der Bewegungsförderung von Mädchen und Jungen sowie junger Erwachsner ausgerichtet.“